„Wertvoller Baustein für Nachhaltigkeitsstrategien, um ehrgeizige Klimaziele umzusetzen“

Carsten Kreutze im Interview

Im Februar war es offiziell: Apleona beteiligt sich am Bonner GreenTech Recogizer. Gut ein halbes Jahr später berichtet Geschäftsführer Carsten Kreutze, über sein Produkt und wie sein Unternehmen bei Apleona angekommen ist.

Mit seiner KI-Lösung „energyControl“ erzielt Recogizer Energieeinsparungen von durchschnittlich 20 bis 30 Prozent und eine je nach Energieversorgungssituation eine vergleichsweise hohe CO2-Reduzierung. Im Interview berichtet der Geschäftsführer Carsten Kreutze, unter anderem was es damit auf sich hat und welche Rolle Künstliche Intelligenz dabei spielt. Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Wie genau funktioniert die Recogizer-Software und welchen Vorteil bringt sie dem Nutzer?

Die Recogizer-Technologie ist eine selbstlernende Software zur energetischen Optimierung von Bestandsgebäuden. Sie reduziert den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß beispielsweise von Büro-, Verwaltungs- und Handelsflächen. Durch Künstliche Intelligenz bringen wir vorhandene Klimatechnik auf ein neues Effizienzlevel: mit einer vorausschauenden und bedarfsorientierten Regelung, die im 15-Minuten-Rhythmus optimiert. Bereiche, die den Energieverbrauch wesentlich beeinflussen, werden aktiv einbezogen: Prognosen der Wetterbedingungen sowie die Belegung von Gebäuden in Form von Ist-Daten, Profilen oder Plänen, aber auch Nutzungszeiten.

Ohne manuellen Aufwand beim Betreiber werden so Energieeinsparungen von bis zu 30% erreicht. Und nicht zuletzt: Die innovative Technologie ist ein wertvoller Baustein für Nachhaltigkeitsstrategien in Unternehmen, um ehrgeizige Klimaziele umzusetzen.

Warum spricht man dabei von Künstlicher Intelligenz (KI), was genau versteht man genau darunter?

Generell wird Künstliche Intelligenz dazu eingesetzt, automatisch bestimmte Zusammenhänge in Daten zu erkennen. Diese werden im Anschluss in ein strukturiertes Modell überführt, so dass das gewonnene Wissen auf das gleiche oder ähnliche Anwendungsgebiete angewendet werden kann. Bekannte Einsatzgebiete sind zum Beispiel Suchmaschinen oder die Sprach- oder Bilderkennung von Smartphones. Um einen großen Anwendungsbereich abdecken zu können braucht man Trainingsdatensätze, in denen möglichst viele verschiedene Situationen bereits abgebildet sind.

Im Kontext unserer Lösung bedeutet das: Zunächst sammeln wir während einer Lernperiode Daten für das jeweilige Gebäude, die dann in einen Digital Twin überführt werden. Dieser stellt Zusammenhänge zwischen komplexen Einflüssen her: den schon erwähnten Wetter- und Nutzerdaten, anlagenspezifischen Daten und Komfortparametern wie der Raumtemperatur. Im Zeitverlauf lernt der Digital Twin immer weiter dazu. Die optimale Regelung für die nächsten Stunden wird mit 15-minütigen Updates vorhergesagt, um mit dem geringst möglichen Energieverbrauch das optimale Wunsch-Raumklima überall im Gebäude sicherzustellen.

Sind die Kunden überhaupt bereit, energiespezifische Daten freizugeben, die Rückschlüsse auf ihr Nutzerverhalten erlauben würden?

Verbrauchs- und Gebäudedaten werden von den Kunden ohne Bedenken bereitgestellt, weil ja eine klare Zielstellung mit energiewirtschaftlicher Bedeutung besteht. Rückschlüsse auf individuelles Nutzerverhalten sind grundsätzlich gar nicht möglich, denn alle Daten sind auf die Immobilie gemünzt. Es handelt sich nicht um personenbezogene Daten. So ist zum Beispiel nur bekannt, wie viele Menschen sich zu welchem Zeitpunkt im Gebäude aufhalten, aber niemals wer.

Gibt es schon Best Practice Beispiele, erzielen Sie dort die versprochenen Effekte?

Wir konnten in den vergangenen Jahren Kunden aus verschiedenen Bereichen gewinnen: Büroimmobilien, Handel, Hotellerie, Industrie und Bildungseinrichtungen. Von Low-Tech-Verwaltungsgebäuden bis High-Tech-Bürokomplexen ist alles dabei: Wir regeln Verwaltungsgebäude mit wenig und älterer technischer Ausstattung bis hin zu großen Konzernzentralen, wo Zehntausende von Datenpunkten einfließen. Dabei liegen die Einsparungen sowohl im Low-Tech-Bereich als auch bei High-Tech-Gebäuden zwischen 15 und 30%. Ein Beispiel aus dem Schulbereich ist ein Berufskolleg von über 8.000m² Fläche. Wichtig ist, dass eine Automationsebene im Gebäude vorhanden ist.

Das Modeunternehmen Breuninger setzt unsere selbstlernende Technologie in seinem Store in Freiburg ein und hat dort 640.000 kWh und 235 Tonnen CO2 innerhalb von zwei Jahren eingespart. Breuninger konnte außerdem erstmalig seine Temperatur-Zielwerte auf einigen Etagen erreichen, in denen es im Sommer immer zu heiß war. Die Umsetzung in weiteren Filialen läuft derzeit.

Sind Sie gut bei Apleona angekommen, gibt es schon erste Ergebnisse der Zusammenarbeit?

Das ganze Recogizer Team hat sich Anfang des Jahres über die neue Partnerschaft gefreut – das „Willkommen“ in der Apleona Familie haben wir sehr positiv erlebt. Wir arbeiten bereits in unterschiedlichen Bereichen zusammen. Hauptaugenmerk liegt sicherlich darauf, unsere Leistungen als Teil der Digitalisierungsinitiative von Apleona intern zu kommunizieren und gemeinsam bei ausgewählten Kunden vorzustellen. Die Motivation ist bei allen Kollegen hoch, die Zusammenarbeit macht Spaß und bringt durch frische Impulse auch konkreten Nutzen in Form von ersten Aufträgen. Neben der vertrieblichen Initiative konnten wir uns auch mit den Kollegen aus Kommunikation und Marketing gut vernetzen und zum Beispiel erste Veranstaltungen gemeinsam bespielen.

Sind Sie durch die Covid-19 Pandemie momentan eingeschränkt oder besteht Nachfrage und läuft der Vertrieb?

Wir sind grundsätzlich als Unternehmen nicht eingeschränkt, weil wir virtuell und nahtlos aus dem Homeoffice miteinander arbeiten können. Wir sind von der IT-Infrastruktur gut aufgestellt, so dass die Umstellung auf Homeoffice sehr leicht verlief. Mittlerweile sind wir in einem rotierenden System wieder in die Büros zurückgekehrt und kombinieren derzeit Arbeit von zu Hause und Anwesenheit vor Ort. Bezüglich Nachfrage sehen wir in den Segmenten Handel und Hotellerie naturgemäß durch die Krise einen Rückgang im ersten Halbjahr. Andererseits beobachten wir, dass die Krise teils sogar als Verstärker für Nachhaltigkeitsinitiativen wirkt. Dabei ist bei vielen Kunden derzeit unsere innovative und digitale Lösung besonders gefragt, weil konkrete Einsparungen eingefahren werden können und sich die Lösung auf viele Gebäude ausrollen lässt.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der Digitalisierung für die Energie- und CO2 –Optimierung im Vergleich zu anderen Maßnahmen, etwa Gebäudedämmung u.ä. ein?

Gerade bei älteren Gebäuden gibt es viele Optimierungsmöglichkeiten. Setzt man z. B. bei der Gebäudehülle an, ist der Investitionsbereich sehr hoch und Amortisationszeiten können 10 oder 15 Jahre schnell überschreiten. Die Erneuerung technischer Anlagen rechnet sich etwas schneller, nach ca. 5 bis 8 Jahren. Beide Maßnahmen sind meist leider mit Betriebsunterbrechungen verbunden. Klimatechnische Anlagen mit Künstlicher Intelligenz zu optimieren, öffnet zeitlich und finanziell gesehen ganz neue Horizonte: kurze Amortisationszeiten im ersten Betriebsjahr und erhebliche, dauerhafte Einsparungen durch den digitalen Ansatz. In der Praxis erleben wir auch manchmal eine Kombination von Maßnahmen, z. B. eine (auch teilweise) Ertüchtigung von Anlagen ergänzt durch unsere KI-Steuerung.

Können die durch Recogizer gesammelten Daten, die Technologie insgesamt, auch für weitere innovative Lösungen verwandt werden, etwa zur vorausschauenden Wartung von HKL-Anlagen?

Grundsätzlich gibt es auf jeden Fall Möglichkeiten, die gesammelten Betriebsdaten aus den technischen Anlagen auch in anderen Anwendungen zu nutzen. Die vorausschauende Wartung, bei der bevorstehende Ausfälle von Anlagen oder einzelner Komponenten vorhergesagt werden, lassen sich datengetrieben unter Einsatz von KI lösen. Z. B. könnte man damit auch Abnutzung der Anlagen frühzeitig erkennen, um Verschleißteile frühzeitig zu tauschen und Stillstandszeiten zu vermeiden. Auch für solche Lösungen ist die Datenqualität entscheidend wichtig. Wir freuen uns auf einen interessanten Austausch mit Apleona und unseren Kunden, um hier weitere Anwendungsfelder identifizieren und hierfür gegebenenfalls weiterführende, intelligente Lösungen zu entwickeln.